Graf Heinrich von Vianden und Graf Friedrich von Neuerburg schwadronierten in bester Stimmung im Rittersaal der Neuerburg. Was nicht unbedingt heißen soll, daß sie gute Freunde waren, denn beide konnten, getreu einer jahrzehntelangen Tradition, einander in der Seele nicht ausstehen.
Vielmehr war das trügerische Einvernehmen auf den beträchtlichen Bierkonsum der Abendstunden zurückzuführen. Zudem erwarteten sie an diesem Abend den Austrag einer belustigenden Wette. Hatten sie doch am Vorabend, nach ausgiebigem Zechgelage und beide mit gleicher Unnachgiebigkeit, den Anspruch auf den trinkfreudigsten Landsknecht im Gefolge erhoben.
Als nun der Stiefel des Neuerburgers mehrmals kräftig gegen den Saalboden hämmerte, verebbte in der darunterliegenden Knappenstube der Stimmenlärm zechender Gefolgsleute beider Grafen, und die Stiege herauf polterten alsbald gewichtige Schritte. Gambrinus hätte seine Freude an den beiden eintretenden Gestalten gehabt: In den Vollmondgesichtern funkelten die roten Nasen eine beredte Sprache; gleich Dauben umspannte das Wams die gewichtigen Bäuche. Die beiden Landsknechte, über das seltsame Duell und seine Wichtigkeit von ihren Herren hinlänglich aufgeklärt, postierten sich den Grafen gegenüber. Derweil überwachten diese eifersüchtig das Füllen zweier mächtiger Reiterstiefel mit Gerstensaft, das der Schenk mit einer der Stunde angemessenen Feierlichkeit vornahm.
Als die beiden Stiefel, solide handwerküche Arbeit und deshalb keinen Tropfen herauslassend, vor den Duellanten standen, warfen sich diese eher zufriedene als giftige Bücke zu. Auf das militärisch kurze Kommando "Sauft!" hoben die Landsknechte, sorgsam jedes Überschwabbeln vermeidend, die gewaltigen Becher an den Mund und begannen in geübten Zügen das geliebte Naß die Kehle hinunterzujagen. Inzwischen hatte sich geräuschlos die Saaltüre geöffnet, und aus, dem Türrahmen starrten ebenso teilnahmsvoll wie neiderfüllt die Augen der übrigen Landsknechte. Die beiden Grafen spielten etwas nervös mit zwei Ellen, die dazu bestimmt waren, den nicht vertilgbaren Rest in den Stiefeln und damit den Sieger zu ermitteln.
Indessen näherten sich die Stiefel der beiden Trinkakrobaten mehr und mehr der horizontalen Lage; ein vernehmliches und ununterbrochenes Glucksen war der einzige Laut im weiten Saal. Plötzlich kam ein Geraune und ein Geflüster auf: Der Viandener Landsknecht verschluckte sich etliche Male, sein Gesicht nahm eine tiefrote, fast blaue Färbung an, und mit resignierter Gebärde stellte er den Stiefel auf den Tisch. Schnell beugten sich die beiden Grafen über den Stiefel, so daß ihre Köpfe unsanft in Berührung kamen: Der Stiefelschaft erwies sich leer, jedoch blinkte aus dem Fußteil noch reichlich das gelbe Naß.
Inzwischen hatte der Neuerburger Wett-Trinker seinen Stiefel bereits über die Horizontale hinausgebracht und schlürfte eben genußreich die letzten Tropfen aus dem Lederrohr. Kräftig rülpsend und mit einem nachdrücklichen Knall beförderte er den Stiefel auf den Tisch zurück. Der Stiefel fiel um und enthob so die beiden Richter einer Nagelprobe. Graf Friedrich sah triumphierend seinen Viandener "Bruder" an; diesem entfuhr ein ebenso ärgerliches wie anerkennendes "Donnerwetter!". Dann lehnte er sich über den Tisch, fixierte den Sieger scharf und fragte: "Sag, Bursche, wie hast du dieses Gaukelstück fertiggebracht?" Der Neuerburger Landsknecht wischte sich die letzten Schaumflocken vom bärtigen Kinn und sprach bedächtig jene bemerkenswerten Worte: "Je nun, Herr, seit heute morgen habe ich schon manchen Trunk getan, bevor mir das Kunststück endlich gelang!"
© Hans Theis, Neuerburg